Raphael Gielgen | Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus?
Shownotes
Nichts ist so beständig wie der Wandel. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Zwei geflügelte Worte die deutlich machen, dass sich Unternehmen ändern müssen, wenn sie bestehen wollen. Wie das funktioniert weiß der Design Trendforscher Raphael Gielgen, Trendscout zum Thema Zukunft der Arbeit bei der Vitra GmbH.
In der neuen Podcastreihe für Design, Marke und Innovation spricht Wirtschaftsjournalist Stefan Wolff, bekannt vom Frankfurter Börsenpaket, mit Raphael Gielgen über die Kunst, die eigene Zukunft immer wieder neu zu erfinden.
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00:00:00: Musik. Willkommen beim ndion-Podcast, dem Interview-Podcast des Rat
00:00:07: für Formgebung. In unserer neuen Podcast-Reihe für Design, Marke und Innovation präsentieren wir Ihnen spannende Interviews mit interessanten Persönlichkeiten
00:00:17: und relevanten Themen. Wir fragen nach den aktuellen Herausforderungen in der Transformation, nach den Lessons Learned und den wichtigsten Do's and Dont's. Aktuell, informativ und am Puls der Branche.
00:00:31: Hören Sie jetzt Wirtschafsjournalist Stefan Wolff, bekannt vom Frankfurter Börsenparkett
00:00:38: im Gespräch mit Raphael Gielgen von Vitra zum Thema Arbeitswelt der
00:00:43: Zukunft - Die digitale Welt ist nur eine Kulisse.
00:00:53: Die eigene Zukunft immer wieder neu zu erfinden. Willkommen im Podcast des Rat für Formgebung. Mein Name ist Stefan Wolff. Nichts ist so beständig wie der Wandel. Wer nicht mit der Zeit geht geht mit der Zeit.
00:01:04: Zwei geflügelte Worte, die deutlich machen, dass sich Unternehmen ändern müssen, wenn sie bestehen wollen. Wie das funktioniert, weiß der Designtrendforscher
00:01:13: Raphael Gielgen, Trendscout zum Thema Zukunft der Arbeit
00:01:17: bei der Vitra GmbH. Hallo. - Hallo! - Was muss ich mir unter dieser Bezeichnung, unter dieser Berufsbezeichnung vorstellen?
00:01:23: Trendscout, eher einer, der etwas aufstöbert, was vielleicht das Potenzial hat, dass es bleibt und das andere Thema "Zukunft der Arbeit", das ist der Aktionsradius,
00:01:34: also relativ weit gefasst, dass ich nicht nur die Architektur der Arbeit betrachte,
00:01:38: sondern auch weit über die Architektur hinaus die Treiber für Veränderungen, ob das Technologie ist, ob das ein anderer gesellschaftlicher Wandel ist. - Sollten Vorgesetzte auf Verrückte hören? - Ein Vorgesetzer sollte sich
00:01:50: idealerweise mit ein oder zwei Rebellen nenne ich die immer, umgeben oder sollte wissen, wo die Rebellen in seiner Organisaton sind. Ja, das sollte er tun. - Sie selbst bezeichen sich ja als Verrückt in diesem Zusammenhang, als Rebell. Wie definieren Sie Rebell,
00:02:03: Verrückter? - Ja, angenommen
00:02:06: Sie haben einen in der Firma, der die Dinge immer wieder hinterfragt, der Bestehendes nochmal betrachtet, der eine zweite Perspektive reinbringen will, der per se lästig ist
00:02:16: und vielleicht auch können wir sagen, nervend, damit fängt das eigentlich schon an. Und der nicht für die generische Wiederholung steht "Jetzt lassen Sie es einfach nochmal machen" - Das heißt, dass
00:02:28: ist sozusagen das Gegenteil des Bewahrers? - Absolut, ja! Und übrigens auch eine schöne Rolle.
00:02:33: Ich habe es schätzen gelernt, dass es diese zwei Rollen gibt in Firmen: den Bewahrer und den Rebell. Ich sag immer wie in einer Familie, jede Familie braucht ein schwarzes Schaf und das schwarze Schaf sitzt auch zu Tisch
00:02:45: und erst dann wird die Familie rund, weil genau in diesem Spannungsfeld findet Familie statt
00:02:49: und bei einer Unternehmung ist das genauso. Sie brauchen den Bewahrer wie die Rebellen. - Das heißt ohne den einen ist der andere nicht möglich. - Absolut.
00:02:56: Und die Schwierigkeit ist der Respekt zueinander, dass ich die Bewahrer bei uns im Unternehmen schätze für die Arbeit, die sie machen und wenn wir jetzt
00:03:05: den nächsten Drehstuhl machen oder den nächsten Tisch oder ein Sofa und umgekehrt, dass die auch sagen, die Arbeit, die der Raphael macht, die ist uns wichtig. - Wer die Zukunft seines
00:03:16: Unternehmens neu erfinden will, der braucht natürlich vor allen Dingen eines, das ist Erfindergeist. Wo finde ich den in meinem Unternehmen?
00:03:23: Also wenn man mal zurückblickt und vor allem nach dem Krieg, der Erfindegeist, der aus einer Not heraus entstanden ist, wie viele wunderbare Unternehmen entstanden sind, wenn ich die heute besuche, kriege ich echt Gänsehaut, egal ob ich jetzt im Schwarzwald bin, im Ruhrgebiet oder irgendwo im Bayerischen Wald
00:03:38: und heute finden Sie den Erfindergeist an der gleichen Stelle...bei den Mitarbeitern. Das einzige, was ist, die sind dermaßen mit so einer standardisierten Arbeit überfrachtet, dass die keine Sekunde Zeit haben, über was anderes nachzudenken.
00:03:52: Man muss das nur wieder freilegen. - Das heißt Erfindergeist hat auch was mit Freiheit zu tun? - Ja, absolut.
00:03:58: Erfindergeist und Freiheit oder auch ein liberales Modell sind untrennbar miteinander verbunden. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen. Es gibt ein tolles Format von Google, das heißt "WeWork". Google teilt die besten Erfahrungen, die die gemacht haben,
00:04:11: also positiv und negativ auf einer Internet-Plattform, die heißt "WeWork" und da gab es einen Artikel über die Begrifflichkeit der psychologischen Sicherheit in Unternehmen. Also
00:04:21: wie wichtig ist, dass ein Mitarbeiter eine psychologische Sicherheit genießt, dass er was machen kann, ohne dass man mit dem Finger auf ihn zeigt oder, ich geh mal einen Schritt weiter, vielleicht dafür geköpft wird. Und deshalb
00:04:32: ist Freiheit wichtig. - Wie kann es denn da gelingen, Arbeit und Leistung von Unternehmen eine gewisse Relevanz zu erhalten? - Angenommen wir haben jetzt das Jahr 2029,
00:04:41: 10 Jahre von heute, den Sommer im Jahr 2029. Was müsse Sie, was muss ich, was muss der Zuhörer dafür tun, dass er in 10 Jahren noch eine Relevanz für sein Unternehmen hat. Andersrum, was muss ein
00:04:52: Unternehmen tun, dass es in 10 Jahren noch eine Relevanz hat und dann wird man feststellen, man muss ein Experiment wagen. Man muss Dinge wagen, die man heute noch nicht gemacht hat.
00:05:01: Und diese Dinge stehen nicht unmittelbar direkt, unmittelbar mit dem Profit oder mit dem unmittelbaren wirtschaftlichen Erfolg.
00:05:08: Es ist nicht vorhersehbar. So, und damit fängt es eigentlich an.
00:05:12: Das heißt aber, ich weiß zum jetzigen Zeitpunkt eventuell noch gar nicht, was für ein Experiment ich wagen muss? - Richtig, genau! Und das macht es gerade so schwierig, aber jetzt gibt es auch noch eine andere Betrachtungsweise.
00:05:24: Meine Aufgabe ist es nicht, mich mit dem Kern von Vitra zu beschäftigen. Unser Kern ist natürlich Design und alles was uns antreibt und alles, was bei uns entsteht, kommt von daher. Man sollte nie das Experiment zu nah am Kern des Unternehmens
00:05:36: machen, sondern halt mit einem Produkt, einem Service, der irgendwie neu ist, dass das Tagesgeschäft weiterhin funktioniert. Und dann kann man es auch riskieren, mal ein Experiment zu
00:05:48: machen. - Haben Sie da ein Beispiel? - adidas leistet sich in Brooklyn die Brooklyn Farm. Die Brooklyn Farm ist eine Werkstatt auf ungefähr
00:05:56: 1000 Quadratmetern, da sind alle Maschinen, wo man prototypisch oder in einer kleinen Serie Produkte machen kann, die adidas heute und in Zukunft verkauft.
00:06:05: Was man da aber wagt, das Experiment ist wie folgt: dort arbeiten die Etablierten, die Gesetzten, die guten, sehr guten adidas-Designer von Portland und Herzogenaurach mit Menschen, die von Design
00:06:15: keine Ahnung haben. Das kann ein Musiker sein, ein Künstler, auch einer der vorher noch Würschtl verkauft hat an der Central Station.
00:06:23: Und das ist eine Art Experiment und darüber kriegt man einen anderen Blick {...} auf das Produkt und ich glaube alle sechs Monate gehen die ganzen Muster, die in der Zeit
00:06:33: erarbeitet worden sind mit diesen Teams nach Portland oder nach
00:06:36: Herzogenaurach zur Designkonferenz und dienen der Inspiration. Ein anderes Beispiel: Autodesk leistet sich, der Software Hersteller,
00:06:46: also man beachte, Software ist unsichtbar, Sie sehen sie nicht, ja.
00:06:51: Und Autodesk leistet sich in der Welt 4 oder 5 Labs und in diesen Labs passiert folgendes, dass Menschen, die keine etablierten Maschinenbauer
00:07:00: sind, Designer und Konstrukteure ihre eigenen Ideen verwirklichen
00:07:04: können. Der Deal ist wie folgt: Du musst mit der Autodesk Software arbeiten und mit Ingenieuren von Autodesk und idealerweise bringst du die an die Grenze, den
00:07:13: Ingenieur und die Software, weil du so anders denkst. Und über den Input, den Autodesk bekommt, wird die Software optimiert oder werden andere Manuals geschrieben
00:07:22: oder auch die eigenen Leute entwickeln sich weiter, weil die aus dieser
00:07:25: Perspektive die Herangehensweise nie versucht hätten. - Das klingt für mich so, als würde man über solche Vorgehensweise auch an die verborgenen
00:07:34: Wünsche der Kunden rankommen, oder? - Ja! Co-Kreation ist ein zentraler Aspekt, der liegt eigentlich total brach.
00:07:43: Man implementiert unmittelbar die Stimmung draußen oder der potenziellen Kunden. Man lässt das unmittelbar in
00:07:51: das Produkt einfließen. Ein großer Maßstab z.B. zu dem Thema, es gibt in Toronto ein städtebäuliches Projekt, das heißt Sidewalk Labs. Das war eigentlich so ein Scherbenviertel von Toronto auf sechs Hektar,
00:08:05: wo Google im Sinne einer Co-Kreation mit den Bürgern der Stadt Toronto eine neue Stadt, einen neuen Stadtteil entstehen lässt auf Basis der
00:08:14: Co-Kreation. Das bedeutet, man hat alle Leute eingeladen und die Leute konnten ihre Ideen einer Stadt von morgen oder ihre Perspektiven und Merkmale
00:08:24: widerspiegeln. Der Mensch bekam unmittelbar Feedback auf Grund Daten-Modelle, die Google gebaut hat und das fließt in diese Stadt ein. Gleiches geschieht gerade in Bremen. Es gibt ein Projekt in Bremen, ich glaube das heißt "Neue Mitte Bremen" und da gab es einen Ideen-Wettbewerb dazu in
00:08:38: Bremen...und eine Woche lang war der
00:08:43: voll besucht von Bremer Bürgerinnen und Bürger, die gesagt haben
00:08:48: "Hey, wie toll ist denn das, dass dieses städtebauliches Projekt, dass wir uns einbringen können." Ich hätte das übrigens nicht für möglich gehalten, dass so viele Menschen sich dafür interessieren und sich da einbringen. - Welche Schlüsse kann ich denn daraus
00:09:00: für mein Unternehmen ziehen aus diesen Vorgehensweisen?
00:09:05: {...} Zwei Sachen, das eine ist, was wir verstehen oder lernen müssen: Es gibt nicht mehr die Genies
00:09:12: oder die werden zumindest sehr, sehr, sehr rar. Und diese brillianten Entrepreneure und Unternehmer, die es in der Vergangenheit gab, kann es so heute nicht mehr geben, aber nicht, weil es sie nicht mehr gibt, sondern weil die
00:09:25: Zeit eine andere ist. Man kann die ganzen vielen Themen, deren Komplexität nicht mehr vor Augen haben, so, und jetzt kann ich das runterbrechen auf die Mitarbeiter. Und damit findet eins statt, Unternehmen
00:09:35: müssen sich öffnen. Unternehmen müssen sich öffnen, damit neues
00:09:40: auf den Tisch kommt, bedeutet damit die Kolleginnen, Kollegen in der Firma Interaktion mit Kunden haben, Interaktion mit Leuten aus anderen Desziplinen und das daraus neues entsteht.
00:09:50: Gutes Beispiel dafür ist Co-Working. Co-Working hat sich in Deutschland im letzten Jahr in den 7 großen Städten verdreifacht,
00:09:58: aber nicht, weil die Kreativen da eingezogen sind, sonder weil etablierte Unternehmen Mitarbeiter dahin geschickt haben, so nach dem Motto "Arbeite mal in einem anderem Umfeld, hab Interaktion
00:10:09: mit Menschen, die mit eurem Business nichts zu tun haben. - Ich würde ganz gern nochmal auf
00:10:12: das Thema Relevanz zurückkommen. In einer Zeit, in der man ja alles irgendwie greifbar, quantifizierbar machen will, wie misst man denn
00:10:21: diese Relevanz und vor allen Dingen, wie misst man denn die Entwicklung hin zu einer zukünftigen Relevanz? - Mit dem Seismograph Kunde.
00:10:27: Ganz einfaches Beispiel: wenn ich irgendwas entdecke auf meinen Reisen, bringe ich das morgen
00:10:34: oder ich hab heute Abend einen Vortrag in Stuttgart. Wenn ich gestern was gesehen habe in München, was mich inspiriert hat, baue ich das heute noch in den Vortrag ein,
00:10:42: um zu wissen, hat das eine Relevanz? Ich muss nur in die Augen der Leute schauen und sehe dann {...} wow, da hat es bei denen gezuckt. Das hat eine Relevanz. So, nehmen Sie soziale
00:10:54: Netzwerke, nehmen Sie alle Interaktionsmöglichkeiten, physisch und digital, die Sie haben und darüber sehen Sie, ob eine Sache eine Relevanz hat oder nicht.
00:11:06: Ich nutze LinkedIn dafür. Wenn ich einen Artikel einstelle, sehe ich auf Grund der Zugriffe, die ich habe, ob das Thema eine Relevanz hat oder nicht. Und es gibt Themen, die gehen durch die Decke
00:11:16: und es gibt Themen, die liegen einfach wie Blei da und keiner packt sie an. Und Unternehmen können das genauso tun. Es gibt keinen besseren Seismographen
00:11:25: als die Menschen da draußen und es ist egal, was sie tun. Ob das einer ist, der Schuhe, Feuerwehrschuhe produziert, ob das einer ist, der Motorsägen
00:11:34: macht oder Füllfeder, das ist egal. Sie können die Leute draußen immer dafür nutzen. - Gerade bei Social
00:11:40: Media gibt es aber auch immer wieder so künstliche Aufgeregtheiten. Wie filtert man die raus? - Also zum einen finde ich, muss man das aushalten, weil das gehört einfach dazu, dass es mal laut wird
00:11:53: {...} und dass es zu einer Provokation kommt
00:11:57: oder dass es zu zwei extremen Lagern kommt und jetzt zum Thema Herausfiltern, das ist das feine Gespür und das spreche ich aber heute noch vielen Themen zu.
00:12:06: Die meisten Firmen, in unserem Kulturkreis, die ja sehr alt ist, haben nach wie vor noch ein
00:12:15: feines Gespür für die Sache. So, das gute ist, sie haben immer eine Orientierung, die Gefahr ist, sie tun sich mit der Erneuerung per se
00:12:25: schwer, weil sie halt so ein feines Gefühl für die Sache haben. - Wir sind beim Stichwort Digitalisierung gelandet. Die Welt wird ja in der Tat immer virtueller. Was bleibt denn von der analogen
00:12:35: Welt dann noch übrig in diesen Prozessen? - Ich will kein Spielverderber sein. Man sagt mir immer dann, das ist die physische Welt, weil bei den Engländern ist die analoge Welt auch digital,
00:12:43: halt nur analog als Physik im Digitalen. Also was bleibt von der physischen Welt übrig?
00:12:50: Ja, das ist sehr, sehr viel. Ich hab mal einen Ted Talk dazu gemacht,
00:12:54: das war das Thema "Physical Survivors in the Digital World" und ich kam drauf,
00:13:00: ein Kollege von mir sagte mal zu mir, der Jürgen Dürrbaum: "Raphael, am Ende geht's für uns nur um eins, was von der physischen Welt übrigbleibt." Weil wir als
00:13:10: Vitra machen ja physische Produkte. Natürlich gibt es digitale Interaktionen, aber da schreiben wir keine
00:13:16: Rechnung drüber, ja, davon leben wir nicht. Und das trieb mich dann so an und ich wollte einfach verstehen
00:13:21: was macht die physische Welt auf und je mehr ich mich damit auseinadergesetzt habe in dieser Zeit, dann ist ja auch die Antenne wach, dann stellst du fest, wie wichtig der physische Raum für Menschen ist. Ich war in der Zeit
00:13:31: in der Pinakothek in Brera in Mailand
00:13:36: und sah Schulklassen vor so riesen Schinken sitzen und es war verrückt! Kein Kind hatte ein Handy in der Hand. Die saßen wie gebannt vor und lagen auf dem Boden
00:13:45: vor dem großen Bild und die Lehrerin oder eine aus dem Museum erzählte was und die Kinder
00:13:52: waren wie gefesselt und dieses Bild haben die Kinder natürlich gar nicht fassen können, weil sie viel zu jung waren, die waren Grundschüler gefühlt. So, und dann denkst du drüber nach, was macht das eigentlich aus? Ich hab
00:14:04: in meiner Tasche, das ist kein Witz, immer einen Kölner Dom seit zwanzig Jahren, weil ich komm aus der Ecke von
00:14:08: Köln und dann kam ich auf die Artefakte und dann kommst du auf den Punkt, wo du sagst ok, die Erinnerung des Menschen, unsere Erinnerungen geben Anleitung, Orientierung, sie geben aber auch Halt
00:14:18: {...} Heimatgefühl, sind immer in einem physischen Kontext ein physischer Ort oder
00:14:25: ein Artefakt. Ein Artefakt kann wie ein USB-Stick sein, aber dieser Artefakt vergeht nie.
00:14:32: Der besteht, der löst sich ja nicht auf. Mein Kölner Dom in der Tasche ist ja nicht morgen weg und das kann die digitale Welt nicht.
00:14:38: Erinnerungen werden nie in Instagram und nie in Facebook und nie in Whatsapp bleiben,
00:14:43: niemals. Und Whatsapp ist auch nur ein Tool eines Netzwerkes, es wird aber niemals eine Gemeinschaft sein, wie im Englischen dieses Kinship {...} also nicht die Blutsverwanschaft, sondern wo man sagt, dass ist meine
00:14:55: Community. Und insofern ist eigentlich die digitale Welt nur eine Kulisse und das sollte man mal vor Augen haben. Das ist eine Kulisse, die immer wieder erneuert wird
00:15:04: und Dinge gehen und vergehen. Wenn es die Software nicht mehr gibt, schmeißt du die Hardware auf den Müll und du vermisst das übrigens auch gar nicht. Also ich vermiss jetzt nicht
00:15:13: irgendwie von mir ein altes Telefon oder i don't know was. - Wenn aber die Zeichen auf Digitalisierung stehen, wie groß ist denn dann die Gefahr, dass sich die Unternehmen
00:15:24: von der physischen Welt verabschieden? Dass sie den Kontakt dazu verlieren? - Die ist immer da, weil wir
00:15:30: kritikloser geworden sind, also wir sind als Gesellschaft kritikloser geworden. Ich hab mich damals, als junger Mensch immer aufgeregt,
00:15:36: wenn die Lehrer, in der Schreinerei der Meister oder wer auch immer, wenn die immer die Sachen so tief reflektiert haben. Heute versteh ich das,
00:15:42: dass man {...} die Dinge kritisch hinterfragt, es gibt aber zwei Sachen. Die digitale Welt bietet wunderbare Möglichkeiten
00:15:51: für viele digitale Interaktionen, die sollte man tun, aber genauso hat die physische Welt viele Sachen, die wir wieder zurückentdecken
00:15:59: müssen. Nehmen Sie mal Airbnb. Airbnb funktioniert
00:16:03: nur auf grund der physischen Welt, dass Gastgeber, Airbnb-Gastgeber eins schaffen, ihre Gäste zu verorten. Die leben nämlich nicht
00:16:12: im generisch designten Hotel, was überall gleich aussieht in Wien, in Helsinki und in Bratislava, sondern die sind
00:16:18: entweder in Bratislava oder in Helsinki oder in Wien und spüren das auch. Und dann merkt man mal, was passiert, wenn man das beste aus beiden Welten miteinander kombiniert. - Wie kombiniert man im
00:16:29: Design das beste aus beiden Welten? - Puh, das ist jetzt eine spannende Frage! Wir haben mal vor drei Jahren mit Jovoto, einer Crowdstorm-Plattform, mit Bastian Unterberg in Berlin eine Fragestellung
00:16:42: in den Markt adressiert. Und die hieß so in etwa "Du hast die Möglichkeit ins Jahr 2026 abzutauchen, du arbeitest da einen Monat bei einer Firma.
00:16:51: Teile uns mit, was du erlebt hast, wie die Arbeit aussieht."
00:16:56: Über 60 Prozent der Zusendungen, die wir bekommen haben, hatten keinen Bezug mehr zur physischen Welt. Das heißt, die Menschen aus der ganzen Welt, die uns ihre Ideen geschickt haben, haben uns eine Idee vermittelt, dass {...}
00:17:09: der physische Ort immer einen digitalen Zwilling hat. Dann haben wir gedacht, das gibt es doch gar nicht. Ich hab mir das überhaupt nicht vorstellen können,
00:17:16: was ein digitaler Zwilling für eine Arbeitsarchitektur ist, auch adidas war mit dabei, die Telekom war mit dabei. Aber dann stellt man
00:17:23: auf einmal fest, dass es, wenn man es gut macht, ganz andere Welten öffnet. - Was bedeutet das ganze dann für die
00:17:30: Arbeit von Gestaltern konrekt? - Er sollte in beiden Welten aktiv sein. Ich war diese Woche beim großen Autobauer in München und es ist wunderbar zu sehen, wie die Leute an den
00:17:41: Clay Modellen stehen und physisch dem Auto Form geben
00:17:46: und gleichzeitig gehen sie danach ins Holodeck und tauchen voll fiktiv ab in einer Zeit, die noch nicht
00:17:53: da ist, in eine andere Welt, die erst kommt und haben das Gefühl, sie sind mittendrin
00:17:59: und beides zusammen gibt ihnen {...} für mich unvorstellbare
00:18:06: Möglichkeiten, was man alles machen kann. Und jetzt gehen wir einen Schritt zurück. Überlegen Sie mal,
00:18:11: die alten Handwerke, die, wo Sie nur noch wenige finden, die diese Professur haben, also auf der einen Seite jetzt Leute zu finden, die das weiter pflegen, die das Thema Manufaktur, das Physische
00:18:22: beherrschen.
00:18:24: Und was ist der digitale Konterpart dazu? Und das miteinander zu verbinden. - Das klingt auf der einen Seite nach sehr viel Freiheit für diejenigen, die das machen, die sich darin bewegen. Auf der anderen Seite kommt ja dann in den Unternehmen immer wieder die Frage
00:18:39: danach auf: "Wie kontrolliere ich das? Wie messe ich das?" - So, jetzt sind wir bei dem schönen Thema, bei dem Thema Kontrolle. Die alte Welt
00:18:48: der Arbeit basierte ganz stark auf Kontrolle, was total okay war in dieser Zeit, weil es Arbeit
00:18:55: und Wertschöpfung nicht limitiert hat. Kontrolle limitiert heute Wertschöpfung. Also Kontrolle limitiert heute
00:19:00: zwei Sachen: die Erneuerung der Organisation und das überhaupt neue Werte entstehen können.
00:19:06: Und damit meine ich nicht das Ergebnis, was in der Bilanz steht, sondern dass Werte entstehen, also echte Assets, wo Sie sagen, das zahlt ein auf die Marke. Und wir müssen uns darauf einlassen,
00:19:19: auch mal Dinge nicht kontrollieren zu können. Wunderbares Beispiel sind die neuen Tools, die es gibt, die 3D-Drucker
00:19:25: und alles, einfach mal einen Druck zu starten ohne zu schauen, wie der erste leer aussieht.Man drückt einfach den Knopf und geht und schaut erst 4 Stunden später, was eigentlich passiert ist. Damit fängt es eigentlichs schon an.
00:19:36: Oder auch mal, dass man generativ designen lässt,
00:19:40: also {...} man macht sich selbst eine Skizze und lässt dann mal die Maschine ran. Was wird die Maschine eigentlich tun? Damit man überhaupt mal die Möglichkeit
00:19:49: dahinter begreift. Und das kann man erst machen,
00:19:53: wenn man A nicht kontrolliert wird und B auch selber nicht der ist, der das kontrollieren möchte. - Sind Werte wichtiger geworden
00:20:01: in den vergangenen Monaten, Jahren? - Total. Sie können jetzt draußen hier in Frankfurt einen fragen, der sagt, wir leben im Werteverfall und andere sagen,
00:20:08: also ich glaube, dass Werte in...
00:20:17: zumindestens in den älteren Kulturkreisen sehr stark, sehr bindend sind.
00:20:23: {...} Die halten uns zusammen, die geben uns Anleitung, Orientierung und die Unternehmen, die das über viele Jahre machen,
00:20:31: sind auch die erfolgreichen Unternehmen. - Was halten Sie denn dabei für die
00:20:36: herausstechenden, für die wichtigen Werte? Für das, was wirklich zählt? - Einen kann ich runterbrechen. Unternehmerische Führsorge, also wenn ich im Kontext Arbeitswert denke,
00:20:45: ist es unternehmerische Führsorge. Unternehmen, die immer, in all den Jahren,
00:20:51: auch in den schwierigen Jahren, wie die letzte Krise war, die unternehmerische Führsorge zelebriert haben, die sind sehr belastbar,
00:21:01: die haben in der Regel eine starke Orientierung, finden motivierte Leute und arbeiten am Fortschriff mit.
00:21:10: Im Harward Business Review gab es darüber mal einen Artikel, was der ökonomische Wert von Unternehmenskultur ist und die haben das eben nicht reduziert nur auf Werte wie Vertrauen und Loyalität.
00:21:19: Die haben gesagt, jedes Unternehmen hat ein kulturelles Framework, Charakteristikas, aus denen sich dann das Unternehmen zusammensetzt und ein Unternehmen, dass das begreift und versteht, trägt keine
00:21:31: Maske, wird so greifbar für die Kunden, für die Mitarbeiter und für die Partner. Und ich erzähl immer gerne die Geschichte
00:21:40: von Alnatura. Wenn man deren neues Headquarter anschaut, dann spürt man das kulturelle Framework von denen, wo so Sachen drinstehen wie Nachhaltigkeit,
00:21:49: wie Führsorge. Das spüren Sie einfach! Und Sie können sich dem in dem Gebäude auch nicht entziehen.
00:21:53: Übrigens, Sie brauchen nicht mal ein Architektur-Studium. Wenn Sie schon vor dem Gebäude stehen, das ist von haascookzemmrich, dann haben Sie das Gefühl, das ist irgendwie mit ganz natürlichen Materialien gebaut
00:22:05: und erfüllt nicht nur einen TÜV, den DGNB Standard, sondern geht weit darüber hinaus. - Lassen sich denn solche Werte auch
00:22:14: in die digitale Welt übertragen bzw. in dieses Zwischenspiel, was Sie ja die ganze Zeit
00:22:21: schildern, dieses Zwischenspiel zwischen digitaler und physischer Welt? - Ich glaube ja und das wird sich noch zeigen {...}
00:22:28: Ich hab das mal genannt in einer Diskussion "Digitales Vertrauen".
00:22:33: Also ich weiß, ich bin in paar Netzwerken und dann gibt es so paar Sachen, wo ich sag', da bestellst du mal was oder die haben einfach meine Daten, meine Kreditkartendaten {...}
00:22:41: und ich glaube, es wird irgendwann mal der Punkt kommen,
00:22:46: wo der Mensch diesbezüglich die digitale Welt anders betrachten wird auf Grund eines Vorfalls und nur bestimmten Menschen sein digitales Vertrauen gibt, so spreche ich es mal aus.
00:22:56: Und das wird auf der anderen Seite natürlich auch die Firmen sein, die von der digitalen Seite her bestimmte Werte transportieren und das auch geschafft haben. Für mich gefühlt {...}
00:23:09: ich hab jetzt kein konkretes Beispiel, wo ich sage, dass diese Firma das jetzt transportiert,
00:23:14: weil auch das digitale Erlebnis noch sehr stark zweidimensional ist. Wir schauen auf ein Smartphone, auf eine Computerfläche. Es hat ja nicht jeder eine VR-Brille
00:23:23: zu Hause und kann irgendwie in eine ganz andere Welt abtauchen und auch die digitalen Interaktionen,
00:23:28: selbst wenn man in ein Museum gehen würde oder in eine Ausstellung, sind aktuell noch sehr limitiert. Ja, ich glaube dass das passieren wird, auf zwei Ebenen,
00:23:37: das eine ganz stark Vertrauen und das andere, dass die digitale Welt
00:23:41: ganz andere Möglichkeiten macht, dass man auch andere Werte darüber erfahren kann. - Dieser immer schnellere Wandel, den wir beobachten, macht der das für Unternehmen schwerer oder leichter, langfristige Werte zu etablieren und zu halten? - Der macht das total schwierig.
00:23:55: Ab und zu hab ich das Gefühl. die Welt um uns herum löst sich auf und ich weiß gar nicht mehr, wo ich einen Halt habe und ich hatte dazu mal
00:24:04: ein Gespräch mit der Nora Fehlbaum und was mir sehr geholfen hat, sie sagte zu mir: "Schau Raphael,
00:24:10: irgendwann werden meine Kinder mich fragen, wenn die die Bilder sehen, warum die Männer alle diese komischen
00:24:17: Bärte haben, weil Bärte nicht mehr modern sind. Aber Raphael, wir machen halt Sachen, die halten länger aus als Bärte. Die begleiten einen Menschen ein Leben lang und machen Menschen ein Leben lang Freude."
00:24:30: Unsere Produkte wirst du niemals irgendwo auf der Straße finden, ja. Die bleiben bei den Benutzern und du baust eine
00:24:37: Beziehung dazu auf und das ist genau dieses Spannungsfeld, ja. Also für uns zum Beispiel in diesem Kontext. Sie können heute ein
00:24:44: Bild nehmen von einem Produkt von Vitra aus dem Jahr 1960, das Auto passt nicht mehr, die Kleider passen nicht mehr, aber Sie
00:24:51: können das gleiche Produkt in einen Kontext stellen in Frankfurt, in Tokio oder irgendwo und es passt immer noch. Und das gilt es herauszufinden für eine Firma, den Kontext der Geschwindigkeit,
00:25:01: je nachdem, was die Firma macht. Was tust du und was tust du nicht? - Und wie baut man diese Beziehung dann auf?
00:25:09: Welche Beziehung meinen Sie damit? - Sie haben gesagt, dass das Unternehmen dafür sorgt, dass das Produkt eine Beziehung zum Menschen aufbaut und umgekehrt. Wie gestalten Sie
00:25:18: das Produkt so, dass es bereit ist für so eine Beziehung? - Tolle Frage!
00:25:23: {...} Sagen wir mal zwei Aspekte. Wir hatten ja mal einen Hackathon zu diesem Thema "Was bleibt von der physischen Welt übrig?" in Amsterdam. Das war {...} im Rahmen der Frame Awards
00:25:35: und was da rauskam, das nicht perfekte, das nicht perfekte bleibt von der physischen Welt übrig. Wenn etwas perfekt ist oder artificial, dann ist es einfach zu perfekt und dann ist es niemals deins. Dann ist es etwas
00:25:48: und du wirst nie eine Beziehung dazu aufbauen. Und ich glaube, die Beziehung zu einem Produkt entsteht über, natürlich auch über eine Art
00:25:56: Gebrauchsspuren, über eine Art Patina, die das Produkt über die Zeit bekommt. Und dann gibt es aber zwei Aspekte.
00:26:03: Das Produkt muss das erstmal aushalten von der Qualität, dass es dich so lange begleiten kann, aber es muss auch aushalten, dass es noch in die Zeit passt. Ja, dass du einfach sagst,
00:26:13: es ist irgendwie
00:26:14: kein Fremdkörper. Es gibt übrigens einen tollen Artikel dazu von Nick Foster, dem Designer, der heißt "The future is mundane" und ist erschienen
00:26:24: im Magazine Core77. Da beschreibt er das nämlich, er geht so auf Science Ficiton ein und sagt oft,
00:26:32: die Regisseure bringen dann, was weiß ich, so ein Chesterfield Sofa da rein oder irgendwie so
00:26:37: einen La-Z-Boy, der überhaupt gar nicht in die Szenerie des Raumschiffs passt und oft fällt es den Betrachtern gar nicht
00:26:43: auf und damit schaffen die so assoziativ eine Verbindung zum Raumschiff. Wie verrückt! So, und wenn man diesen Artikel liest, dann denkt man: "Das gibt es doch gar nicht! Ist mir noch nie aufgefallen!" Und dann zeigt der Bilder, sogar Sequenzen aus den SYFY Movies.
00:26:57: Nicht perfekt zu sein erfodert stückweit auch Mut. - Absolut! Hätte ich jetzt genau so gesagt. Das erfodert Mut! - Gilt das,
00:27:01: gilt das für den Arbeitsplatz genauso, für die Arbeitswelt genauso? - Oh ja! Das habe ich aus der Perspektive so noch gar nicht betrachtet.
00:27:12: {...} Die Architektur der Arbeit braucht auch mal eine Lücke. Das bedeutet, heute designen wir alles durch. Wir geben alles vor und
00:27:26: lassen keinen Raum mehr für die Menschen, die dann dieses Gebäude okkupieren. Wie schön wäre das eigentlich, wenn man sagt, man gibt 70 Prozent vor und 30 Prozent machen später die Menschen? Aber das sehen die Standards nicht vor,
00:27:37: der Standard Mietvertrag nicht vor, der Standard
00:27:40: Ausbau, der Typ, der jetzt die Möbel liefert, das sehen diese Veträge alles nicht vor und es gibt ganz wenig Firmen, die den Mut auch dazu haben. So, und das, das ist das, was fehlt, aber das fehlt aktuell nur,
00:27:54: weil die Standards im Sinne der Vorgaben, die man so hat, das einfach nicht vorsehen. - Und die Möglichkeiten liegen auf dem Tisch.
00:28:01: Sie haben die uns ja auch in den vergangenen Minuten hier eindrücklich geschildert. Was hält uns denn davon ab, einfach diesen Möglichkeiten zu folgen, sie zu ergreifen und einfach loszulegen?
00:28:11: Also erstens ist der Mensch per se nicht smart. Der ist jetzt nicht so wie Ihr Smartphone, was über Nacht ein Update kriegt, was übrigens
00:28:17: gut ist, dass wir nicht so sind. Und das eine ist, Veränderungen, damit tun wir uns per se schwer. Übrigens, das ist nicht nur was, dass den Deutschen nach...also man sagt das ja den Deutschen nach. Ich hab glaube ich für Vitra jetzt
00:28:28: 24 Länder besucht, in 20 dieser Länder ist es ähnlich. Und das hat damit zu tun, mit einem fehlenden Bild
00:28:37: von der Zukunft. Wir betrachten das Leben gerne durch so einen Rückspiegel, durch diese Art der Romantik und auch Romantik ist wichtig. Aber was auch wichtig ist, ist dass man ein Bild aufzeigt, was sein kann und dann
00:28:48: setzt der Mensch sich dafür auch in Bewegung. Was der Mensch aber nicht will, dass man ihn manipulativ irgendwo hinführt. Man muss den Menschen eigentlich verführen und man müsste den Menschen auch in eine andere Zukunft
00:28:58: verführen wie auch immer die ist. Ob diese Zukunft grüner ist und nachhaltiger, ob die liberaler ist, weniger Kontrolle und in diese Zukunft müsste man
00:29:08: den Mensch verführen. - Welche Entwicklung, welche Trends sind für Sie im Moment besonders spannend und würden Sie auch sagen, dass die ihr Leben
00:29:15: verändern? - Zum einen was mich umtreibt, ich war jetzt mal fast zwei Monate, einen Monat
00:29:22: nur in Deutschland unterwegs und was mich hier umtreibt, ist wie wir in ein anderes Denkmodell kommen. Sprich, ich treff Top-Unternehmer,
00:29:32: die alle eine gute Historie haben, die erstklassige Produkte bauen, die in der Welt
00:29:39: geliebt werden, die sich aber alle mit der Erneuerung sehr schwer tun, weil wir alle so im linearen Denken drin sind, im kontextuellen Denken drin sind, dass wir daraus nicht ausbrechen können und dass dieser Ausbruch
00:29:53: dann Mut erfordert und dann dafür aber die psychologische Sicherheit
00:29:58: nicht da ist und dass dann auch keiner da ist, der einfach mal den Schritt vorausgeht
00:30:04: und sagt okay, im Sinne des echten Leaderships mit einem Teil der Organisation
00:30:09: betreten wir jetzt hier dieses Neuland und wir gehen voraus, ohne eben auf 20 Powerpoints sich dafür das Go zu holen
00:30:21: und dann zu sagen: "Und in einem Monat habt ihr das erreicht!" So, und das müssen wir lernen. Wir müssen lernen, ins Boot zu steigen
00:30:29: und loszufahren, aber wir fahren ja nur mit einem Boot los, wir fahren ja nicht mit der ganzen Firma los und das tun wir nicht. - Was macht diese Erkenntnis mit Ihnen? - Ich lebe ja hier in Deutschland und wohne hier und tu das sehr gerne.
00:30:42: Und ich stell mir die Frage "Was passiert denn mit unserem Land?" {...} Das war ja mal anders.
00:30:49: Also mein Großvater war anders und mein Vater war auch anders auf jeden Fall. Also die Generation hat
00:30:55: mir vieles ermöglicht und ich glaube, es liegt vor allem an meiner Generation,
00:31:02: auch mal diese Erfahrung, die mein Vater, der ist jetzt 76 und mein Großvater lebt nicht mehr,
00:31:08: die die gemacht haben, für uns selber zu machen und einfach mal aus der Komfortzone herauszutreten. - Ermöglicher zu sein? - Wunderbares Wort! Ermöglicher zu sein, genau, einen Beitrag an diese Erneuerung
00:31:19: zu leisten, auch an der gesellschaftlichen Erneuerung. Schauen Sie mal, hier wenn ich jetzt auf die wunderbaren Fassaden schaue, standardisierte Bürofassaden, generische Layouts und die Menschen
00:31:30: sitzen dort jetzt an Maschinen, vor Computern und {...} zwei Drittel des Tages sitzen die vorm Computer.
00:31:35: Und an der Stelle kann man sich die Frage stellen "Wie lang halten wir das noch aus?" Aus diesem Grund gibt es einen Handlungsbedarf. Und übrigens, das gleiche machen wir mit den Kindern in den Schulen. Schauen Sie sich die Schulen an! Ich würde sagen,
00:31:48: 85 Prozent der Schulen sehen so aus, wie meine katholische Grundschule in Langerwehe 1975. Das einzige, vielleicht eine andere Farbe an der Wand und da steht ein Smartboard drin, aber wir konditionieren Kinder noch an Tischen in den meisten Schulen
00:32:03: und glauben dann, dass aus diesem Lernmuster die Kinder die Herausforderung, die in 5, 10, 15 Jahren auf uns zukommt,
00:32:09: lösen können und das wird sehr wahrscheinlich nicht funktionieren. - Und wie sieht der Arbeitsplatz in 20 Jahren dann aus? - Die Frage ist "Was ist Arbeit in 20 Jahren?" {...} Also die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.
00:32:20: Ich hab keine Idee was Arbeit in 20 Jahren ist, weil die erste Frage ist "Welche Arbeit bleibt überhaupt noch übrig?" Wenn wir uns jetzt mal rantasten,
00:32:31: es gibt eine Routinearbeit, Routinearbeit, wo auch immer die ist, kann Soft- und Hardware übernehmen. Das heißt die wird weniger. Okay, diese Portion wird kleiner.
00:32:38: Dann gibt es eine Art, ich nenne die einfach mal Projektarbeit, die wie unten, hier wird gerade am Messeturm {...}
00:32:43: saniert. Das ist eine Projektarbeit, die kann jetzt nicht eine Soft- oder eine Hardware übernehmen, weil die passiert nur einmal, man muss die Gegebenheiten vor Ort wissen. Hier arbeiten irgendwelche Menschen, Ingenieure, Architekten,
00:32:54: Leute auf der Baustelle. So, die wird bleiben oder wird vielleicht ein bisschen größer werden. Und jetzt kommt die Arbeit, die der Erneuerung dient, die ist gerade ganz klein.
00:33:04: Nur ganz wenig Firmen
00:33:05: widmen sich der Arbeit und das ist aber ein großes Spannungsfeld und das schöne ist, die Erneuerung einer Firma war in der Vergangenheit...hat das dem Boss obliegt,
00:33:15: dem Vorstand, dem Unternehmer oder der Entwicklungsabteilung,
00:33:18: aber die Erneuerung einer Organisation obliegt in der Zukunft allen. Das ist ein größerer Maßstab, da müssen alle dran wirken.
00:33:26: Das heißt, diese Arbeit wird auf jeden Fall da sein und wenn man jetzt überelgt, dann ist sehr wahrscheinlich die Arbeitswelt
00:33:34: in 20 Jahren ein großer...vielleicht wie eine große Universität, mit einem Technikum,
00:33:41: mit einer Bibliothek, also das eine verbindet uns mit der Vergangenheit, das Technikum verbindet uns mit der Zukunft, mit kooperativen Orten, wo unterschiedliche Disziplinen wie in der großen Aula zusammenkommen und sich austauschen. So, und vor allen
00:33:55: Dingen ist die auch virtuell. Es gibt virtuell ganz andere Möglichkeiten der Teilhabe, wo auch immer Sie sitzen, Sie mal in eine Maschine eintauchen können.
00:34:04: Ich war jüngst in Japan bei einem der größten japanischen Baukonzerne Takenaka und im Bau gibt es eine Technologie, die heißt BIM - Building Integration Modelling, einfach formuliert,
00:34:17: alle Bauteile des Gebäudes sind miteinander verbunden. Wenn du einen Teil veränderst, verändern sich die anderen auch, weil die im Bezug zueinander stehen. Man tut sich aktuell auch in Deutschland schwer, das
00:34:26: einzuführen. Was haben die Japaner gemacht? Die haben sich überlegt "Wie bringe ich das den Leuten näher?" und die haben große, ich sage mal so eine Art Kinosäle,
00:34:33: wo die Mitarbeiter nicht den Plan betrachten auf dem Display 27 Zoll, sondern auf einer großen Kinowand eins zu eins sehen die das Gebäude und die ganzen Bauteile und haben dann ihr Lineares Denken verändert und auf einmal haben sie die Technologie begriffen. Das ist wie, ich sage mal, Gitarre lernen oder {...} wie Skifahren lernen. - Und das ist dann eben die Kunst, die eigene Zukunft wieder neu zu erfinden. Lassen wir uns einfach darauf ein. Herzlichen Dank! Das war Raphael Gielgen, Trendscout bei der Vitra GmbH. Liebe Hörer, wenn es Ihnen gefallen hat, hören Sie doch bald wieder rein in die Podcasts des Rat für Formgebung zu den aktuellen Fragen in Design, Marke und Innovation. Kritik und Anregungen sind uns natürlich herzlich willkommen unter ndion@German-Design-Council.de. ndion schreibt man n, d, i, o, n @ German minus Design minus Council. Vielen Dank fürs Zuhören und bis bald. Musik.
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